Der politische Eberlein

Zur Frage des Friedens nimmt Gustav Eberlein in seiner in Berlin 1902 erschienenen Veröffentlichung „Michelangelo nebst anderen Dichtungen und Gedanken über Kunst“ Überlegungen auf, die er schon im „Mündener Tageblatt“ am 15.09.1898 publizieren ließ.

Es handelt sich um eine erbetene Stellungnahme zu einem „Friedens-Manifest des russischen Zaren Nikolaus II.“ vom 24.08.1898, zu der auch andere Persönlichkeiten aufgefordert waren. Bisher gelang es nicht festzustellen, an welche Personen diese Anfrage ging und wer von ihnen was geantwortet hat.

 Mündener Tageblatt vom 15.09.1898

(Beginn des Pressezitats):

Zur Frage der Friedenskundgebung.

Die Redaktion der „Neuen Hamburger Zeitung“ hat sich an eine Anzahl hervorragender Männer mit dem Ersuchen gewandt, ihre Ansichten über die Friedenskundgebung des russischen Kaisers nach näher formulierten Fragen kundzugeben.

Wir sind in der Lage, das Urteil unseres berühmten Mündener Professors Gustav Eberlein zu dieser alle Welt interessierenden Frage hier bekannt zu geben.

Die gestellten Fragen lauten folgendermaßen:

  1. Halten Sie eine allgemeine Abrüstung oder zweitens die Herabsetzung der übermäßigen Rüstungen in Europa für möglich?
  2. Erscheint Ihnen eine internationale Konferenz zur Herbeiführung der Abrüstung als wirksames Mittel? Erwarten Sie von einer solchen Konferenz ein positives Ergebnis oder nicht?
  3. Sind Sie der Meinung, dass dasselbe Ziel auf einem anderen Wege besser und zweckmäßiger erreicht werden kann?
  4. Glauben Sie, dass es möglich ist, eine Herabsetzung der übermäßigen Rüstungen zu erzwingen, ohne selbst wieder zu kriegerischen Mitteln zu greifen?
  5. Halten Sie es für möglich, eine gerechte Norm für die Höhe der stehenden Heere in den einzelnen Staaten zu finden, die Aussicht auf Verwirklichung hat?
  6. Sind Sie der Meinung, dass die Herabsetzung der übermäßigen Rüstungen die Kriegsgefahr vermindern würde?
  7. In welcher Weise würde Ihrer Meinung diese Verminderung der Rüstungen auf die inneren Verhältnisse der einzelnen Staaten zurückwirken, besonders in sozialer Beziehung?
  8. Auf welche Weise denken Sie sich bei einer Abrüstung die Schlichtung der internationalen Streitigkeiten?
  9. Wie denken Sie über die Abrüstung in Beziehung auf die besondere politische und geographische Lage Deutschlands?
  10. Wie denken Sie über den ewigen Frieden?

 

Hierauf antwortete Herr Professor Eberlein folgendermaßen:

  1. Ja, ich halte eine Abrüstung für notwendig, da die kulturelle Entwicklung der Nationen, welche ich kenne, wie mir scheint, vornehmlich durch das übermäßig große stehende Heer gehindert wird. Am meisten werden die Abrüstung die Völker ersehnen, welche die schwerste Rüstung infolge gegenseitiger Beziehungen zu tragen gezwungen sind. Die Parteien, welche das Gegenteil aus egoistischen Gründen oder verletzter Eitelkeit, Hass oder dergleichen erstreben und ein kriegerisches Feuer anzufachen suchen, sind klein und müssen unterdrückt werden.
  2. Eine vollkommene Einigkeit der drei Hauptmächte Russland, England und Deutschland scheint mir vorläufig genügend. Der moralische Druck, welchen dieses Faktum im Sinne der Abrüstung auf die anderen Regierungen ausüben würde, muss dieselben bestimmen, ihnen beizutreten. Eine internationale Konferenz halte ich nur dann für wirksam, wenn sie von obigen Regierungen ausgeht.
  3. Der Kaiser von Russland hat als Kind einer Zeit, welche wirklich innerlich und äußerlich das erhabene Wort „Liebet Euch unter einander“ wahr machen will, gehandelt. [Anm.: in „Michelangelo“:  „Die Herrscher sollen als Kinder ihrer Zeit, …, handeln“.] Es sind dieselben humanistischen Lehren, welche Kaiser und Volk erziehen.
  4. Die Gedanken der Völker sind die Gedanken der Fürsten. Die Macht der Völker ist in die Hände der Fürsten gegeben. Der Wille der Völker spricht aus dem Friedenswunsch des russischen Kaisers. [Anm.: in „Michelangelo“: „… der Mächtigen“.]
  5. Ja, durch die friedliche Einigung der bedeutendsten Mächte. Es ließe sich eine solche Norm unter Zugrundelegung der Bevölkerungsziffer der Staaten finden.
  6. Die Herabsetzung der Rüstungen muss eben aus der Überzeugung hervorgehen, dass der Krieg zwischen zivilisierten Völkern ein ihrer unwürdiger Zustand ist. Wenn die Überzeugung durchdringt, so wird die Herabsetzung der Rüstungen die Kriegsgefahr sicher nicht vermindern, sondern sogar aufheben.
  7. Zunächst würden viele Industrien sehr empfindlich geschädigt. Die ungeheure Summe, welche jetzt das stehende Heer verschlingt, könnte für geistige und wirtschaftliche Hebung des Landes verausgabt werden.
    Ein unerreichtes Blühen der Wissenschaft, der Künste, der Landwirtschaft, des Handels, der Industrie und der Schifffahrt würde sich entfalten.
    Alle kleineren Städte könnten durch staatliche Zuschüsse gesundheitlich gehoben werden. Der Volksbildung würden neue Stätten geschaffen werden.
    Die vernachlässigten Wasserwege der deutschen Flüsse würden der Schifffahrt dienstbar gemacht.
    Durch größeren Wohlstand und höhere Lebensanschauung würden die sozialen Unterschiede verwischt. Die frei werdenden Existenzen würden sich den bürgerlichen Beschäftigungen einfügen.
    Hunderttausend mehr der intelligenten Söhne des Volkes würden sich eine freie glückliche Lebensstellung durch eigene Kraft schaffen müssen.
    Durch eine idealere Volksbildung würde die soziale Frage in edlere Form gebracht werden.
  8. Internationale Streitigkeiten könnten nur durch sorgfältig zusammengesetzte Schiedsgerichte geschlichtet werden. Derartige Gerichte sind gegenwärtig schon mehrfach angerufen und ihren Aussprüchen ist Folge gegeben worden. Deutschland hat gegenwärtig als Mitglied des Dreibundes, dessen Zwecke rein friedlicher Natur sein sollen, einen Schritt auf dem Wege zum Weltfrieden getan. Es kommt darauf an, dass die Anregung, die von Russland ausgegangen ist, ehrlich gemeint und ebenso aufgenommen wird.
  1. und 10.
    Es scheint, dass ein sogenannter ewiger Frieden möglich ist, und zwar aus folgenden Gründen:
    Wenn man den Zustand Deutschlands im 16. Jahrhundert betrachtet, so sieht man mit Schrecken einen Krieg aller gegen alle. Allmählich gruppierten sich die Elemente um feste Mittelpunkte. Es bildeten sich größere fester organisierte Verbände. Die Kämpfe der kleinen Gewalten verminderten sich und windstillere Zonen entstanden, in denen der Bewohner ungestört seinen Geschäften nachgehen konnte.
    Nach den letzten Erschütterungen in der Mitte und in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts haben wir also in unserem Lande, wenn auch keinen Weltfrieden, so doch einen Frieden der deutschen Welt. Wenn Volksstämme, Geschlechter, Familien durch Genossenschaftlichkeit der Interessen dahin gelangen, sich nicht mehr zu bekriegen, so müssten doch auch Völkergruppen, die sich einer hohen Zivilisation erfreuen, dasselbe Ziel erreichen können. Das Römerreich brachte durch Unterwerfung fast aller Kulturvölker des Altertums und durch Ausgleichung ihrer geistigen Erzeugnisse eine Art Weltfrieden unter Hadrian zustande, der dann allerdings durch die Anstrengungen der Barbaren stark gestört wurde. Aber wo sind heute die noch gefährlichen Barbaren, wenn die Völker Europas zusammenhalten?

Der Friede Europas ist der Friede der Welt.

Durch einen ewigen Frieden würden neue Wege dem Menschengeist gebahnt, fernere Länder erobert und unserer Zivilisation angefügt und bevölkert werden müssen. Ungeahnte Schwierigkeiten in Klima und Bodenverhältnissen würden zu überwinden sein. Eine endgültige Bezwingung der Schwierigkeiten, welche sich der Luftschifffahrt entgegenstellen, wäre zu erwarten. Kurz, das kommende Jahrhundert würde als das glänzendste der neuen Zeit werden.

Der ewige Friede spricht:

Schweigt, Leidenschaften, blut‘ger Völkerhass, verkrieche Dich,
Und glätte Deine sorgenvolle Stirn, Europa.
Atme auf, ein Licht will sich entzünden,
Und in der milden Flamme will ich schreiten.
Nicht mehr soll über hingemähte Menschenleiber
Und durch Ruinen gottverlassener Städte
Entmenschter Kriegerscharen Siegruf hallen.
Nicht sollen mehr mit totgeweinten Augen
Verlass‘ne Bräute händeringend wachen,
Nicht Witwen, an der kraftlos leeren Brust den Säugling,
Nach dem fern gefallenem Ernährer schrein.
Nicht vor dem Donner brüllender Geschütze
Soll mehr das ungeschützte, von der Arbeit stumpfe Volk
Im furchterfüllten Innersten erbeben.
Und nie wird mehr die Blüte unserer Männer
In Tod und Siechtum Unsagbares leiden.
Laß mich, o Menschheit, zu dir niederknien
Und deine tiefen nie geschloss‘nen Wunden
Mit meines Wesens Himmelsbalsam heilen.
Sieh, alle Ketten, die in Wahn und Haß
Die irrgeführten Völker eisern banden,
Sie werden vor der Allmacht meiner Sendung
Wie Spinnenfäden in das Nichts entfliehen.
Ein glanzerfüllter Morgen steigt herauf
Im heißersehnten kommenden Jahrhundert.

 

Professor Bildhauer Gustav Eberlein

Berlin, 10. September 1898

(Ende des Pressezitats)

 

 

„Bestrafung“ Eberleins.

Im Jahre 1900 wurden in der Großen Berliner Kunstausstellung auf höchste Weisung 17 der von Eberlein ausgestellten 20 Werke gegen den Protest hauptsächlich der Berliner Architektenschaft entfernt. Ob die „ketzerischen“ Friedensgedanken vom Herbst 1898 den Grund dafür legten, ist zu vermuten.

Auch trug seine, dem Kunstverständnis von Kaiser Wilhelm II. widersprechende, starke stilistische und thematische Anlehnung ab 1897 an Werke von „welschen“ Bildhauern, vor allem Rodin und Meunier, zur Entfernung der Werke bei. Unter den „verbotenen“ Skulpturen fallen besonders „brutale“ Darstellungen, wie z.B. „Der Geist Bismarcks“, ein Arbeiterkopf und Skulpturen aus dem Zyklus „Die ersten Menschen“, gegen den im „Christlichen Kunstblatt“ gewettert wurde, auf. Diese Werke erscheinen heute „moderner“, als die meisten Skulpturen vor und nach dieser „Periode“.

Der direkte Grund für die „Bestrafung“ ist sicher, dass Eberlein zusammen mit dem Historiker Theodor Mommsen, dem Dichter Ernst Wiechert, dem Schauspieler Hermann Nissen und dem Dichter Hermann Sudermann als einer der Wortführer des Protestes gegen die Lex Heinze kurz vorher aufgetreten war und die Obrigkeit recht unverfroren angegriffen hatte. Es sollte ein Gesetz werden, das die Gängelung der Künstler zum Ziel hatte, indem es u.a. die Verwendung von Aktmodellen verbieten wollte. Eberleins am 04.03. und am 25.03.1900 als Vertreter der Berliner Künstlerschaft im Berliner Rathaus gehaltenen Reden sind in „Michelangelo“ abgedruckt und somit überprüfbar.

Erstaunlich ist, dass Eberlein, der vorher in großer Zahl Kaiserdenkmäler geschaffen hatte, zeitgleich – auf Vorschlag von Reinhold Begas ausgewählt als einer der 13 Bildhauer von Kaiser Wilhelm II. – an zwei Gruppen für die Siegesallee arbeitete und danach die Aufträge für das Richard-Wagner-Denkmal in Berlin (1903) im Wettbewerb und das Goethe-Denkmal in Rom (1904) im Alleinauftrag des Kaisers bekam, 1903 eine Gruppe mit der Bezeichnung „Ein Kulturideal: Deutschland im Verein mit Frankreich“ zu schaffen „wagte“. Sie bildete am 12. Februar 1903 ganzseitig das Titelblatt der „Illustrirten Zeitung“ (Berlin, Leipzig). Die französische „Marianne“ tritt in Umarmung mit dem deutschen „Michel“, auf einer (Welt-) Kugel stehend, einen am Boden liegenden „Barbaren“, der sich an die „böse Schlange“ klammert, nieder.

Es scheint an der Zeit, dass eine sozialkritische Untersuchung (Magisterarbeit?, Dissertation?) über die Künstler der Berliner Bildhauerschule, eingeschlossen Gustav Eberlein als Bildhauer, erarbeitet wird. Dadurch würden die diesbezüglichen Aussagen in den Werken „Ethos und Pathos, Band 2“ und „Das klassische Berlin“ ergänzt. Publikationen über einzelne Künstler dieser Schule gibt es als Grundlage für eine derartige „Studie“ inzwischen hinreichend.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Eberlein sich um 1905 mehr und mehr auf die „kostengünstigere“ und auch dadurch nicht so stark vom Auftraggeber abhängige Malerei verlegt, dann jedoch ab 1907 in Südamerika hauptsächlich wieder als Bildhauer schafft (Nationaldenkmal und andere Denkmäler in Buenos Aires, Deutscher Brunnen in Santiago de Chile). 

 

Das Zarenmanifest von Nikolaus II. im Wortlaut:

Aus dem Zarenmanifest vom 24. August 1898, verkündet von Außenminister Graf Murawjew:

„… Im Namen des Friedens haben große Staaten mächtige Bündnisse miteinander geschlossen. Um den Frieden besser zu wahren, haben sie in bisher unbekanntem Grade ihre Militärmacht entwickelt und fahren fort, sie zu verstärken, ohne vor irgendeinem Opfer zurückzuschrecken. Alle ihre Bemühungen haben dennoch noch nicht das segensreiche Ergebnis der ersehnten Friedensstiftung zeitigen können. Da die finanziellen Lasten eine steigende Richtung verfolgen und die Volkswohlfahrt an ihrer Wurzel treffen, so werden die geistigen und physischen Kräfte der Völker, die Arbeit und das Kapital zum großen Teile von ihrer natürlichen Bestimmung abgelenkt und in unproduktiver Weise aufgezehrt. Hunderte von Millionen werden aufgewendet, um furchtbare Zerstörungsmaschinen zu schaffen, die heute als das letzte Wort der Wissenschaft betrachtet werden und schon morgen dazu verurteilt sind, jeden Wert zu verlieren infolge irgendeiner neuen Entdeckung auf diesem Gebiet. … Die wirtschaftlichen Krisen sind zum großen Teil hervorgerufen durch das System der Rüstungen bis aufs äußerste, und durch die ständige Gefahr, welche in dieser Kriegsstoffsammlung ruht, machen die Heere unserer Tage zu einer erdrückenden Last, welche die Völker mehr und mehr nur mit Mühe tragen können. Es ist deshalb klar, dass, wenn diese Lage sich noch weiter so hinzieht, sie in verhängnisvoller Weise zu eben der Katastrophe führen werde, welche man zu vermeiden wünscht und deren Schrecken jeden Menschen schon beim bloßen Gedanken schaudern machten.

… Durchdrungen von diesem Gefühl, hat Se. Majestät geruht, mir zu befehlen, dass ich allen Regierungen, deren Vertreter am kaiserlichen Hofe beglaubigt sind, den Zusammentritt einer Konferenz vorschlage, welche sich mit dieser ernsten Frage zu beschäftigen hätte. Diese Konferenz würde mit Gottes Hilfe ein günstiges Vorzeichen des kommenden Jahrhunderts sein …“

Marx – Lassalle – Bebel

Artikel von Gustav Eberlein erschienen in „Volk und Zeit“ (Bilder zum „Vorwärts”) 22, 23.11.1919

Die drei großen Vorkämpfer der sozialen Bewegung gehören zu den hervorragendsten Persönlichkeiten, die das vergangene Jahrhundert hervorbrachte. Aus diesem Grunde habe ich mich schon lange mit der Darstellung ihrer Charaktere bildnerisch beschäftigt. In diesem Winter schuf ich aus eigener Initiative ihre Kolossalbüsten und Statuen. Dem Kopf des Marx sieht man deutlich die Größe seines Geistes und Charakters, das Weltgeheimnis umfassende Wesen an. Wie ein Jupiter legt er die mächtige Hand auf sein Hauptwerk, das Buch „Das Kapital“. Tief und weitschichtig angelegt, trägt er die Grundzüge einer wissenschaftlichen Erforschung der Macht der Arbeit in vollendeter Darstellung. Von Land zu Land flüchtend, überall nicht verstanden, ja verhöhnt, selbst von Lassalle nicht eng genug umfaßt, trug er seine erhabenen Theorien damals einsam in seiner mächtigen Brust. Damals war die Welt noch zu eng für seine Lehren, scharf, hart und unüberbrückbar waren die Stände der Menschen bis zur Sklaverei verengt. Kein Hauch befreienden Lebens drang in die im ehernen Joch hoffnungsloser Gesetze dahinsiechenden Arbeiterhütten, der niedrigsten Kaste der menschlichen Gesellschaft.

Da stand der göttliche Genius Lassalles auf und zerbrach im feurigsten Ungestüm seiner leidenschaftlichen Persönlichkeit dieses Joch des ehernen Lohngesetzes, zerriß die Ketten, die einen Stand und Menschen zum ewigen, die Seele verkümmernden und den Verstand zermürbenden Frondienst, zu schwerster Armut zwang. Leider hat ein unbegreifliches unseliges Geschick Lassalle mitten aus seiner Lebensarbeit gerissen. Er starb in der Blüte seiner gewaltigen Kraft im Zweikampf um eine adlige Dame, die ich noch persönlich kannte. Uebersieht man seine wissenschaftliche und agitatorische Arbeit, so muß einen Staunen ergreifen vor dieser unermüdlichen. Tag und Nacht ringenden Kämpfernatur. Er kämpfte wie ein Löwe und Riese mit der damaligen Stumpfheit der Masse, dennoch mit seinem schöpferischen Geiste in allen Stürmen nie ermattend. Meine Statue stellt ihn dar, wie er die Ketten des ehernen Lohngesetzes zerreißt.

Bebels Tätigkeit und stürmende Beredsamkeit zwang selbst Bismarck, wie ich persönlich im Reichstag erfahren, zur höchsten Achtung für seinen Gegner. Mit seiner agitatorischen Beweglichkeit, scharfen Erfassung vollendeten Deduktion und Rhetorik konnten sich wenige im Reichstag messen. Sein Wirken steht noch frisch, wie sein von Arbeit durchfurchtes Gesicht vor meinem Gedächtnis.

Die Monumentalkunst der Bildnerei hat die Ausgabe, der Welt alles Große, schöpferisch Fortschreitende der Menschheit im Bilde zu zeigen. Ganz gleich aus welchem Stande es emporquillt, aus welcher Nation es sich entwickelt, und unter welcher politischen Situation es segenbringend wächst. Ganz gleich, ob dieses aus der Macht eines Großen der Erde sich erzeugt oder dem Hirn eines einsamen Denkers oder Arbeiters entspringt. So habe ich mich stets bemüht und versucht, den Nerv meiner Zeit zu treffen, und darum schuf ich, da die wahre Kunst frei von allen Vorurteilen und international sein soll, die Büsten unserer drei Sterne am sozialen Himmel. Daß dieser verdunkelt vom Mißverständnis dieser großen Lehren, von Leidenschaft getrübt ist, ist nicht die Schuld jener bedeutenden selbstlosen Männer, lag nicht im Sinne Marx‘, Lassalles und Bebels.

Einige Presseäußerungen der jüngsten Vergangenheit, besonders hinsichtlich meiner neuesten Schöpfungen, der Kolossalbüsten Marx‘, Lassalles und Bebels, sowie der Statue Lassalles als Redner, wie er die Ketten des ehernen Lohngesetzes zerreißt, beruhen auf vollkommener Unkenntnis meines Wesens und Schaffens. Diese Werke haben mit einer besonderen Politik oder einer Wandlung meines Wesens nichts zu tun.

Ich habe sie, innerlich tief erregt von der Bedeutung dieser Persönlichkeiten, geschaffen, so wie ich die Monumente, Statuen und Büsten des Homer, Plato, Phidias, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Luther, Goethe, Schiller, Bürger, Mommsen, Wagner, Bismarck, Hindenburg und großer Feldherren schuf.

Wie ich begeistert die großen Freiheitshelden Amerikas jüngst in mächtigen Denkmalen dort ausstellte, so wie ich die Gestalten der alten deutschen Kaiser monumental wiedergab.

Es hat mich stets glühend gedrängt, alles wahrhaft Große, geistig Bedeutende in Geschichte, Kultur und modernem Leben und Persönlichkeiten, in weltaufrührenden Ideen mit meinem Meißel zur Darstellung zu bringen.

Die militärischen und dynastischen Aufgaben, welche in meiner Zeit die Weltreiche Deutschland, Frankreich und Italien vornehmlich der Monumentalbildnerei stellten, auch wie sie die überseeischen Nationen von mir wünschten, so willkommen sie hinsichtlich der Existenz der Bildhauerei waren, lösten nicht ganz, besonders nicht bei mir, alle Sehnsuchten nach freiem, unbeengtem bildnerischen Schaffen aus.

Darum habe ich in allen Hauptstädten der Weltreiche diesseits und jenseits der Meere jene Monumente besonders begrüßt, die die Arbeit und Arbeiter darstellen, welche große soziale Ideen, und Unternehmungen bildhauerisch verherrlichten.

Ich suchte in meiner Kunst stets unablässig nach Befreiung von der Schablone. Ich suchte stets nach rein geistigen, rein menschlichen Ideen, nach phantastisch symbolischen und weltbewegenden Ideen, um sie in Werken meiner Zeit zu geben.

Die Hoffnung lebt in mir lebendig, daß auch die jetzige Epoche der sozialen Befreiung des Arbeiterstandes aus Armut, Bedrängnis und Elend sich segensbringend entwickeln wird, so daß dieser bisher erniedrigte Stand menschenwürdig emporsteigen kann. Dann wird diese Zeit auch der Kunst befruchtende Vorwürfe geben, die die alte Kunst bereichern in neugebärender Kraft. Ich selbst bin ein Arbeiter, der einst in frühester Jugend als Goldschmiedegeselle den Tag eine Mark und 30 Pfennig verdiente. Ich kenne Armut und geistige Bedrängnis genau. In Nord-, Süd- und Zentralamerika, in Frankreich, Italien und Spanien habe ich ihre armseligen Stätten entsetzt gesehen. Aber ich habe auch dort in fernen Ländern gefühlt, welche ungeheure, verborgene, göttliche Kraft im deutschen Wesen und Streben liegt. Sie wird wieder sieghaft die Welt erfüllen.