Leben
Die Darstellung des Lebens Eberleins kann sich im Hinblick auf die erschienenen Biografien hier auf die notwendigsten Fakten in der Form beschränken, dass nur die den Weg als Künstler beeinflussenden Umstände dargelegt werden.
Die prägende Kindheit erlebt der am 14.07.1847 als Sohn des schon mit Napoleon nach Russland gezogenen katholischen Grenzaufsehers (Braunschweig/Hessen-Kassel) Johannes Josephus Eberlein und der 24 Jahre jüngeren evangelisch-lutherischen Bauerntochter Margarethe Bein, die der Vater in zweiter Ehe geheiratet hatte, im abgeschiedenen „Hänflingsnest“ Spiekershausen (Staufenberg/ Niedersachsen), einem damals 99-Seelen-Dorf an der Fulda zwischen Hann. Münden und Kassel. Die Vorfahren der Familie Grimm bewohnten das Nachbarhaus.
Vom 8. bis 19. Lebensjahr hat es der junge Eberlein in der Kleinstadt Hann. Münden – sein Vater wurde hierher in den Zollinnendienst versetzt – schwer, sich wegen seines künstlerischen Interesses mit den Gleichaltrigen zu verstehen.
Nach der Lehre und einem Gesellenjahr als Goldschmied kann er durch die Förderung eines Pastors und eines Fabrikbesitzers von 1866 bis 1869 die Kunstschule in Nürnberg (August von Kreling) besuchen und hier ein Stipendium für die Fortsetzung als Hospitant an der Kunstakademie in Berlin gewinnen. 1869 wird Eberlein auf der Kunstausstellung in München mit Werken des 16 Jahre älteren Reinhold Begas „konfrontiert“ – ein prägendes Erlebnis.
In Berlin ist Eberlein zunächst auf Empfehlung von Bernhard Afinger im Atelier von Gustav Blaeser (GV 924) beschäftigt. 1872 gewinnt er ein Stipendium für einen Romaufenthalt – ein weiteres wesentliches Erlebnis. Michelangelo in Verbindung mit der „antiken“ Landschaft und den Menschen Italiens sind fortan sein Leitbild.
„Hoffähig“ wird Eberlein durch die Heirat im Jahre 1873 mit Helene von Frankenberg und Ludwigsdorff (GV 925, 926). Allerdings lebt das Ehepaar bis um 1880 in Berlin in bitterster Not. Gefördert wird Eberlein in dieser Zeit vor allem durch den Architekten Martin Gropius, der ihm 1874 im Hochkeller der Kunstgewerbeanstalt (Preußen-Ausstellung 1981) einen Raum für Bildhauerarbeiten kostenlos zur Verfügung stellt.
1881 trifft das Ehepaar Eberlein ein schwerer Schicksalsschlag, als der 3-jährige Sohn „Anzio“ (GV 922, 923) stirbt. Zusammen mit dem Tod der geliebten Mutter 1888 führt dieses zu einem „Schub“ der Mutter-Kind-Darstellungen und zu christlichen Werken.
1891 wird die erste Ehe geschieden. Am 23.12.1893 heiratet Eberlein Maria Gräfin von Hertzberg, eine 15 Jahre jüngere Künstlerin (GV 449, 935; Scheidung 1917).
Von 1890 bis 1914 hat Eberlein – vor allem durch die Vielzahl der Hohenzollern- und Großdenkmäler (Wagner, Goethe, Lortzing; GV 207, 208, 210) – künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg.
1887 als Mitglied in die Akademie der Künste aufgenommen, wird er 1893 auf Vorschlag der Akademie zum Professor ernannt. Der Kaiser besucht ihn an drei Terminen in Begleitung von Reinhold Begas „mit Gefolge“ im Atelier am Lützowufer. Der kritische Journalist Alfred Kerr, der kurze Zeit in Eberleins Vorderhaus wohnte, beschreibt einen dieser Besuche. Die Presse berichtet ständig über den Fortgang seiner Arbeiten.
In Hann. Münden errichtet er – jeweils „oberhalb der Stadt“ – zwei Wohnsitze (Eberburg, Weserkastell). Auf der Eberburg hat er ein Atelier, in dem er – neben Berlin und Rom – ständig arbeitet. Im Schloss baut er seit 1893 auf eigene Kosten Räume zu einem damals viel besuchten „Eberlein-Museum“ um. Heute kann es nur noch als ein Torso bezeichnet werden, in dem zwei Drittel seines Lebenswerkes verloren gingen.
Durch die verletzende Zurückweisung einiger Werke aus der Großen Berliner Kunstausstellung 1900 – nachdem ihm noch 1897 eine Sonderausstellung eingeräumt worden war – wurde ein Krise ausgelöst, welche erst durch die Beauftragung durch den Kaiser für das Goethe-Denkmal in Rom und den Wettbewerbsgewinn für das Richard-Wagner-Denkmal in Berlin überwunden wurde. Die Zurückweisung, gegen die er energisch Einspruch einlegte, erfolgte, weil er sich mit einem naturalistischen, Meunier und Rodin angenäherten Stil in den Gegensatz zur „Staatskunst“ setzte. Außerdem erregte sein überlebensgroßes Werk „Der Geist Bismarcks“ (GV 180), in dem der Fürst ohne die übliche Uniform nur von einem Tuch umhüllt gezeigt wird, wohl den Widerspruch der Familie des 1896 Verstorbenen. Eberlein zeigte es trotzig in seinem 1913 für die Öffentlichkeit zugänglichen „Eberlein-Ateliermuseum“, nachdem es auch bei der Berliner Ausstellung 1906 keine Aufnahme gefunden hatte.
Nach der Errichtung der Denkmäler für Goethe (Rom, 1902; GV 208), Wagner (Berlin, 1903; GV 207) und Lortzing (Berlin, 1906; GV 210) kann er in Deutschland nur noch wenige größere Aufträge gewinnen. Dafür bietet ihm Südamerika ein weites Beschäftigungsfeld (u.a. Nationaldenkmal und vier Personenstandbilder in Buenos Aires, GV 215, 222-25, und Deutscher Kolossalbrunnen in Santiago de Chile, GV 219).
Die Abneigung gegen Krieg führen zu Auswanderungsplänen und der Versteigerung seines nahezu gesamten beweglichen Besitzes 1913. Diese Pläne kommen jedoch nicht mehr zum Zuge, zumal Kommerzienrat Woog, Berlin (GV 480), in Bingen/Rhein ein „Eberlein-Museum“ finanziert hatte, das jedoch wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr bezogen wird.
Während des 1. Weltkrieges zieht sich Eberlein vor allem zur Erarbeitung von Kolossalreliefs in das Berliner Atelier, das er zum Museum ausbaut, zurück und portraitiert daneben noch eine Vielzahl hochgestellter Persönlichkeiten.
In der Nachkriegszeit entgeht Eberlein – trotz vorhandenem Haus- und Grundbesitz relativ verarmt – nur durch die Fürsorge des von ihm als Tochter angenommenen, 1896 geborenen Hausmädchens Emma und einiger Verwandter dem Ruin. Emma setzt er 1921 als Alleinerbin ein.
Sein dreigeschossiges Berliner Wohnhaus mit großem Atelier im Hinterhof, in dem auch die Entwürfe zu Reiterdenkmälern modelliert wurden, hatte er durch einen unzureichenden Verkaufsvertrag bzw. Betrug in der Inflationszeit verloren. Der Käufer verlangte von Eberlein eine monatliche Miete für das Atelier, die er nicht einmal durch den Verkauf verdient hatte.
Er ist nach Kriegsende nahezu zwangsläufig der Anfeindung Vieler ausgesetzt, die dem Bildhauer vorwerfen, zugleich Marx (GV 514) und den abgedankten Kaiser (GV 184) dargestellt zu haben. Eberlein kommt so persönlich und künstlerisch immer mehr in einen Konflikt mit seiner Umgebung. In einer Ausgabe des „Vorwärts“ versucht er, sein Verhalten zu rechtfertigen. Er schlägt vor, ein Museum der bedeutendsten Personen Deutschlands zu gründen.
Gustav Eberlein stirbt am 05.02.1926, wie ein nicht gerade wohlwollender Presseartikel es darstellt, “verbittert und im Gefühl, verkannt worden zu sein“ 79-jährig fern von seinem geliebten Hann. Münden in Berlin.
Seine Grabstelle war eingeebnet und lange Zeit vergessen. Nach der Wiederentdeckung in den Friedhofsakten durch das Ehepaar Grimm erhält es 1985 einen vom Steinmetzinnungsmeister Eugen Eidner (Scherhag) gespendeten Grabstein mit einem durch die Gustav-Eberlein-Forschung e.V. nachgegossenen Bronzemedaillon. Seit 1990 ist es mit einer kurzen Unterbrechung als Ehrengrab der Stadt Berlin neben der Frauenrechtlerin Minna Cauer auf dem Alten St. Matthäus Kirchhof in Berlin-Kreuzberg anerkannt.
Der Gießereibesitzer Wilhelm Füssel (1902-1992) schilderte Eberlein dem Ehepaar Grimm gegenüber als nicht sehr groß, oft kränklich, ehrgeizig, von der Arbeit besessen und doch kontaktfreudig, gebildet, vornehm, zurückhaltend, auch zu einfachen Mitarbeitern kollegial, tolerant und sehr gutmütig. Er brachte für den schon gebrechlichen Eberlein ein Detail an einer beschädigten Mädchenstatuette an und half als junger Mann nach Eberleins Tod tonnenweise Modellierton aus dem Keller des Ateliers zu bergen.
Eberlein als Menschen kann man am besten aus seinen Gedichten und der Prosa, die – wie auch seine anderen Werke – immer einen Bezug zu inneren und äußeren Geschehnissen hatten, kennen lernen.
Mit dem Brand des Ateliers auf der Eberburg in Hann. Münden, verursacht durch spielende Knaben, sind 1932 bedauerlicherweise fünf umfangreiche, unveröffentlichte Manuskripte mit Lebenserinnerungen verloren gegangen. Wie die Tageszeitung berichtete, bedeckten tausende, vom Löschwasser durchtränkte Blätter den Boden. Mit ihrer Hilfe wäre eine andere Schilderung des Lebens Eberleins möglich gewesen.
14.07.1847 | Geboren in Spiekershausen an der Fulda |
1855 | Umzug nach Hann. Münden |
1861 | Konfirmation, mit anschließender Berufssuche |
1861-1864 | Goldschmiedelehre in Hann. Münden |
1864 | Geselle in Hildesheim und Kassel |
1865 | Rückkehr nach Hann. Münden |
1866-1869 | Besuch der Kunstschule in Nürnberg |
1870 | Umzug nach Berlin |
ab 1870 | Regelmäßige Italienaufenthalte (Venedig, Florenz, Rom) |
1872 | Erstes eigenes Atelier in Berlin |
1873 | Heirat mit Helene von Frankenberg und Ludwigsdorff |
1878 | Geburt des Sohnes Anzio Oreste |
1881 | Tod des Sohnes Anzio Oreste (Diphterie) |
1887 | Ernennung zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin |
1891 | Scheidung von Helene von Frankenberg und Ludwigsdorff |
1893 | Ernennung zum Professor |
1893 | Einweihung der Eberburg in Hann. Münden mit Skulpturenterrasse und Atelier |
1893 | Heirat mit Maria Gräfin von Hertzberg |
ab 1893 | Beginn der künstlerischen Karriere: Öffentliche Denkmalsaufträge, Kunstausstellungen, es erscheinen seine Bücher und Biographien |
1898 | Einweihung „Eberlein- und Altertümermuseum“ im Schloss Hann. Münden |
1904 | Einweihung „Weserkastell“ in Hann. Münden |
1907 | Reisen nach Amerika „als Botschafter des Kaisers in Sachen Kunst“ |
ab 1913 | Eberlein trägt sich mit Auswanderungsplänen, Verarmung durch die Inflation |
1917 | Scheidung von Maria Gräfin von Hertzberg |
1923 | Hochzeit der Adoptivtochter Emma Unglaube, verh. Bernardi |
1924 | Geburt des Adoptivenkels Anziano Bernardi |
1925 | Verkauf „Weserkastell“ in Hann. Münden |
05.02.1926 | Gestorben in Berlin, beigesetzt auf dem Alten St. Matthäus Kirchhof, Berlin |